Cannabis und Polyneuropathie

Cannabis und Polyneuropathie

Polyneuropathie ist eine der am häufigsten auftretenden Nervenkrankheiten überhaupt. Bis zu drei Prozent der Bevölkerung, so Schätzungen, entwickeln im Laufe ihres Lebens polyneuropathische Beschwerden. Unter den über 65-Jährigen sind es gar acht Prozent. Besonders gefährdet sind dabei Diabetiker. Etwa die Hälfte von ihnen leidet früher oder später unter Polyneuropathie.

Typisch für eine Polyneuropathie ist, dass sie sich langsam, Stück für Stück entwickelt. Am Anfang steht meist ein unangenehmes Kribbeln an Zehen und Füßen, das sich später auch an Fingern, Händen und Knöcheln bemerkbar macht und schließlich in einen brennenden Schmerz übergeht. Die Entwicklung läuft dabei meist sehr langsam. Weil die Schmerzen zu Beginn nicht besonders stark sind, bemerken Betroffene sie in vielen Fällen zunächst erst einmal gar nicht. 

Doch selbst wenn eine Polyneuropathie frühzeitig richtig diagnostiziert wird, ist eine Heilung in aller Regel nicht möglich. Entsprechend beschränken sich die in Frage kommenden Therapien darauf, die Symptome zu lindern, um Betroffenen ein halbwegs schmerzfreies Leben zu ermöglichen.

Aber ist nicht medizinisches Cannabis bekannt dafür, gerade neuropathischen Schmerzen effektiv entgegenzuwirken? In der Tat weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass Cannabis das Potenzial hat, bei Polyneuropathie wirksam zu helfen. Zahlreiche Erfahrungsberichte Betroffener untermauern diese Erkenntnis.

Was ist Polyneuropathie?

Unter dem Begriff  Polyneuropathie werden verschiedene Erkrankungen des peripheren Nervensystems zusammengefasst. Aufgabe des peripheren Nervensystems ist es unter anderem, Sinnesreize von den Extremitäten an das Gehirn weiterzuleiten, wo diese Reize dann verarbeitet werden. Funktioniert diese Weiterleitung nicht richtig und werden fehlerhafte Informationen weitergegeben, kann das Gehirn nicht mehr angemessen reagieren. In der Folge kommt es zu körperlichen Empfindungen, die nicht mehr mit zugrunde liegenden Sinnesreizen in Einklang stehen.

Als Folge kommt es zu Beschwerden wie ursachenlosem Kribbeln und Brennen in den Extremitäten, verminderter oder grundloser Schmerzwahrnehmung sowie zu Empfindungen von Hitze oder Kälte, denen kein entsprechender Außenreiz zugrunde liegt.

Polyneuropathie tritt meist als Folge bzw. als Symptom anderer Krankheiten in Erscheinung, stellt also laut medizinischer Definition kein eigenständiges Leiden dar. Als Ursache kommen verschiedenste Faktoren in Betracht. Am häufigsten allerdings entstehen polyneuropathische Beschwerden als Folge von chronischem Alkoholmissbrauch und von Diabetes mellitus.

Ursachen von Polyneuropathie

Insgesamt unterscheidet man mehr als 200 mögliche Ursachen für Polyneuropathie. Als Auslöser kommen verschiedene Infektionskrankheiten oder Stoffwechselstörungen in Betracht, aber auch Mangelernährung, Vergiftungen oder Erbkrankheiten können eine Polyneuropathie auslösen. Auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente können sich polyneuropathische Beschwerden herausbilden. Am häufigsten allerdings tritt Polyneuropathie im Gefolge von Alkoholismus sowie von Diabetes auf.

Alkoholmissbrauch über einen längeren Zeitraum hinweg führt unter anderem dazu, dass Nervenzellen dauerhaft beschädigt werden. Dadurch funktioniert die Weiterleitung von Reizen von den Extremitäten an Gehirn und Rückenmark nicht mehr so, wie sie soll, und es kommt zu Störungen im peripheren Nervensystem.  

Ist Diabetes die Ursache, unterscheidet die Medizin zwei Arten von Polyneuropathie. Bei der asymmetrischen Form sind krankhafte Veränderungen kleiner Gefäße verantwortlich für die Fehlfunktion bei der Weiterleitung von Reizen. Bei der öfter auftretenden symmetrischen Form ist wohl der erhöhte Blutzuckerspiegel direkt verantwortlich für die Beschädigungen an den Nervenzellen. Je länger die Betroffenen an Diabetes leiden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zusätzlich an Polyneuropathie erkranken.

Behandlungsmöglichkeiten

Mögliche Ansätze für eine Therapie unterscheiden sich stark, je nach Grunderkrankung. Geht eine polyneuropathische Erkrankung auf Diabetes zurück, muss diese behandelt werden. Ist Alkoholsucht die Ursache kann man diese wohl in den Griff bekommen. Hat sich die Polyneuropathie aufgrund einer bakteriellen Infektion herausgebildet, steht eine entsprechende Antibiotikatherapie an erster Stelle.

Ziel jeder therapeutischen Maßnahme muss es sein, zuerst einmal einer möglichen Weiterentwicklung der neuropathischen Beschwerden die Grundlage zu entziehen. Gleichzeitig ist es Aufgabe des Therapeuten, bestehende Beschwerden, insbesondere die mit Polyneuropathie verbundenen Schmerzen, soweit wie möglich abzumildern. Neuropathische Schmerzen sind nicht nur für sich genommen lästig, sondern überdecken oftmals auch reale Schmerzen, also solche, die eine wirkliche Beschädigung des Körpers signalisieren. Die Gefahr dabei ist, dass sich zum Beispiel kleinere Entzündungen dadurch, dass man sie nicht wahrnimmt, immer weiter ausbreiten.

Eine Möglichkeit, neuropathische Schmerzen zu lindern, ist die sogenannte transkutane, elektrische Nervenstimulation, kurz TENS. Dabei gibt ein kleines, tragbares elektrisches Gerät über eine Elektrode Impulse an die betroffenen Körperstellen ab. Der dadurch entstehende Reiz blockiert wiederum die Weiterleitung des neuropathischen Schmerzimpulses. Allerdings ist sich die Forschung bisher nicht sicher, wie das Ganze im Detail funktioniert, auch wenn Betroffene berichten, dass ihre neuropathischen Schmerzen auf diese Weise gelindert wurden.

Auch mit physikalischen Therapien versucht man, polyneuropathischen Beschwerden entgegenzuwirken. So sollen warme und kalte Wickel, Wechselbäder oder auch verschiedene krankengymnastische Übungen die Schmerzen lindern.

Meistens aber beruht die Schmerztherapie auf der Einnahme starker pharmazeutischer Schmerzmittel, sogenannter Analgetika, inklusive aller damit verbundenen unerwünschten Nebenwirkungen, die zugleich eine Einnahme über einen längeren Zeitraum unmöglich machen, weil sie den Körper massiv schädigen.

So hilft Cannabis bei Polyneuropathie

Nur wenige medizinische Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis sativa sind so gut erforscht wie die Behandlung neuropathischer Schmerzen. Verschiedene wissenschaftliche Studien kamen bereits zu dem Ergebnis, dass Cannabis, und hier insbesondere das psychoaktive Cannabinoid THC, Nervenschmerzen wirksam lindern, und das auch über einen längeren Zeitraum hinweg und vor allem ohne die Nebenwirkungen, die pharmazeutische Schmerzmittel mit sich bringen. 

Die entscheidende Rolle hierbei spielen, soweit man heute weiß, die Rezeptoren des Typs CB2. Werden diese Rezeptoren durch THC stimuliert, lindern sie effektiv Schmerzen, die auf einer Störung des Nervensystems beruhen, aber auch aus solchen Fehlfunktionen oft entstehende Entzündungen. 

Darüber hinaus verbessert Cannabis wie bei so vielen chronischen Erkrankungen auch bei Polyneuropathie die Lebensqualität, indem es Schlaf und allgemein Erholung fördert und dadurch psychischen Problemen, wie zum Beispiel Depressionen vorbeugt.